Jetzt ist sie ihre eigene Chefin geworden. Seit 1. September 2016 steht Elisabeth Kasprzik einem Team von 15 pädagogischen Mitarbeitern des Fröbel-Kindergartens Taunuspänz in Köln vor – in dem selben Kindergarten, in dem sie vor zwei Jahren als Erzieherin angefangen hat. „Das ist schon etwas anderes, wenn man sich selbst organisieren muss“, sagt die 31-Jährige. Durch ein vom Träger angebotenes und finanziertes Trainee-Programm hat sie sich weiter qualifiziert – zunächst zur stellvertretenden Leiterin, dann zur Kindergarten-Chefin. „Die Arbeit mit den Kindern ist toll, aber ich schätze auch die Arbeit mit den Kollegen“, beschreibt Kasprzik ihre Motivation, neben ihrer Arbeit an der einjährigen Ausbildung teilzunehmen. Was brauchen die Kollegen, um ihre Arbeit gut machen zu können? Wie kann man Arbeitsabläufe besser strukturieren? Solche Fragen und natürlich die Antworten darauf bewegen die Neu-Leiterin. „Qualifizierung ist uns wichtig; Kindergartenleiterinnen führen quasi ein kleines bis mittelständisches Unternehmen“, sagt Pia Schnadt, Personalleiterin der Fröbel-Gruppe, „Deshalb übernehmen wir die Kosten und stellen unsere Mitarbeiterinnen für den Zeitraum der berufsbegleitenden Fortbildung frei.“ Kein Einzelfall. Gerade in sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Seniorenheimen oder Behindertenwerkstätten finanzieren häufig die Träger die Weiterbildungsmaßnahmen, wenn ein Mitarbeiter auf die Leitungsebene aufgestiegen ist oder aufsteigen will. Isabel Kuhn, inzwischen stellvertretende Leiterin des Peter-Dörfler-Kindergartens in Marktoberdorf im Ostallgäu, hat ihre Fortbildung bei der Kindergartenakademie in München gemacht. Rund 2000 Euro hat sich die Gemeinde Marktoberdorf die Fortbildung der Erzieherin kosten lassen, dazu kommen noch Übernachtung im Hotel in München und Fahrtkosten. „Mir hat die Fortbildung vor allem dabei geholfen, in der neuen Rolle klar dazustehen“, sagt die 24-Jährige, „immer wieder selbst zu reflektieren, was ich tue, jeden gleich zu behandeln, ein offenes Ohr zu haben – und zu wissen, was ich rechtlich und organisatorisch als Stellvertreterin beachten muss.“ Auf ihr Gehalt hat sich der Schritt zur stellvertretenden Leiterin bislang nur – wie sie sagt „ein wenig ausgezahlt“, aber:„Ich habe mich dazu entschlossen, weil mich die Arbeit nur mit den Kindern auf Dauer nicht ausgefüllt hätte.“ Jetzt stimme die Mischung: Morgens in der Gruppe mit den Kindern, nachmittags im Büro, Hauswirtschaftspläne aufstellen, Essen planen oder Praktikantinnen betreuen. „Die Motivation, sich für eine Fortbildung zu entscheiden oder sogar berufsbegleitend ein Studium zu machen, ist nicht unbedingt das Geld, das man in einer Leitungsposition mehr verdient“, sagt Ralf Haderlein, Professor für Sozialmanagement an der Hochschule Koblenz. Nicht zuletzt in Verhandlungen mit Kooperationspartnern mache die Fachqualifikation schon einen Unterschied. Als Verhandlungspartner mit Uniabschluss werde man ernster genommen. Es gibt aber noch weitere Ursachen für eine Zusatz-Qualifikation. Haderlein: „Die Suche nach Bestätigung. Wenn wir fragen, weshalb sich Mitarbeitende für ein Fernstudium entscheiden, hören wir häufig: Ich mach das für mich.“ Das war auch für Markus Beyer der Grund, warum er vor drei Jahren seine Arbeit im Marketingbereich der Kurverwaltung im Ostseebad Binz auf Rügen aufgegeben hat, um zunächst als Seniorenberater im Caritas-Seniorenzentrums in Stralsund zu arbeiten. Eigentlich hatte der ausgebildete Eventmanager davon geträumt, Großveranstaltungen organisieren, in Arenen und Fussballstadien und am Liebsten – überzeugter Katholik, der er ist – den nächsten Papstbesuch. Die Tätigkeit in Binz sollte ein Zwischenschritt sei. „Doch ich habe gemerkt, dass mich das nicht ausfüllt“, sagt Beyer, „Der Mensch kann ganz gut ohne das alles.“ Sein Gemeindepfarrer riet ihm dazu, etwas ganz anderes zu versuchen: Arbeit mit Senioren. Als Quereinsteiger fing Beyer in der Seniorenberatung an. Im vergangenen Jahr wurde die Stelle des Zentrumsleiters frei, und Markus Beyer bewarb sich. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass man sich für mich entscheiden würde. Andere wären vorher dran gewesen“, sagt der 29-Jährige. Er bekam die Stelle. Bei der Caritas –Altenhilfe absolvierte er ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm. Parallel dazu studiert er noch an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Soziale Gerontologie – das Studium zahlt Beyers Arbeitgeber. „Vom Verdienst war das zunächst ein klarer Abstieg im Vergleich zu dem, was ich in Binz bekommen habe“, gibt Beyer zu, „erst jetzt, als Zentrumsleiter, bin ich wieder auf dem Niveau von damals.“ Bei den Weiterbildungen, etwa bei der Caritas, lernen die Teilnehmer Fähigkeiten wie Führungskompetenz, Mitarbeiterführung, Managementkompetenzen und Prozessentwicklungen. „Das ist nicht viel anders als bei einem Profit-Unternehmen wie beispielsweise Siemens“, sagt Michael Auer von der Caritas-Führungsakademie, „Was uns allerdings unterscheidet, ist die Werteorientierung. Die hält sich bei uns an ein christliches Menschenbild.“ Professor Haderlein von der Hochschule Koblenz hebt die Diskussion auf eine andere Ebene: „Visionen begeistern Menschen“, sagt er und zitiert Antoine de Saint-Exupery: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann (…) lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Visionen zu pflanzen, lasse sich auf alle Träger übertragen, zum Beispiel auf Kommunen. „Gemeinden müssen Kindergärten bieten. Wenn aber vom Träger deutlich gemacht wird, dass es eine der Aufgaben des Kindergartens ist, die regionale Identität zu stärken, hat man schon eine Motivation mehr.“ Es sei natürlich ein Unterschied, ob man mit Menschen arbeite oder ob man schauen müsse, ob eine Maschine richtig laufe. „Hier können Profit-Organisationen von Non-Profit-Organisationen lernen“, meint Haderlein. Wichtig sei – unabhängig davon, in welcher Trägerschaft die Einrichtung sei, die Haltung: „Wenn Sie Kita-Kindern mehr demokratisches Miteinander vermitteln möchten, dann geht das nur, wenn sie das auch aufs Team übertragen. Wenn Sie da autoritär unterwegs sind, kommt das auch bei den Kindern nicht an.“ „Was ist der Mensch, was zeichnet ihn aus – diese Frage stelle ich mir immer wieder bei meiner Arbeit“, sagt auch Michael Beyer, „Der Mensch ist Mensch, nicht etwas, womit ich Geld verdiene.“
erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 16. März 2017
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