
Test-Tester Lukas weiß jetzt immerhin, was er nicht möchte. Foto: ©Martin Kirchner
Noch ein Jahr Schule, dann kommt die große Freiheit. Lukas Möhwald hat im Januar seinen 17. Geburtstag gefeiert. Er geht in die elfte Klasse eines Berliner Gymnasiums, im Sommer nächsten Jahres hat er das Abizeugnis in der Tasche. Und dann? Auf alle Fälle studieren. Nur was? Zahnmedizin vielleicht. In der zehnten Klasse hat er ein Praktikum beim Zahnarzt gemacht, das hat ihm gefallen, vor allem die Atmosphäre in der Praxis. Oder doch Kunst? Lukas zeichnet gerne und gut, als eines der Hauptprüfungsfächer im Abitur hat er Kunst gewählt.
Im Internet googelt er die Frage „Welches Studium passt zu mir?“ und wählt drei kostenlose Tests aus, darunter einen der Studieninformation Baden-Württemberg (www.was-studiere-ich.de). Der Test zielt darauf ab, die Studieninteressen enger einzukreisen. Dafür muss Lukas entscheiden, ob ihm eine bestimmte Tätigkeit gar nicht oder sehr gut gefällt. Produkte und Verpackungen designen zum Beispiel. Oder einen Streit schlichten. Konstruktionspläne entwerfen. Nach zehn Minuten ist er fertig, und prompt ploppt das Test-Resultat als PDF auf: Bildende Kunst, forschend und systematisierend zu arbeiten seien Lukas für ein Studium sehr wichtig, unwichtig dagegen unter anderen Musik und Sport. Das komme hin, meint Lukas. Eine Seite weiter findet er die passenden Studiengänge aufgelistet – alle logischerweise in Baden-Württemberg. Archäologie würde gut passen, aber auch Kunstwissenschaft. Noch ein Klick, und schon kann der Test-Teilnehmer noch mehr Informationen über die Studienbedingungen an den einzelnen Hochschulen abrufen. Wer lieber von Studenten erfahren will, was einen im Studium so alles erwarten wird, wendet sich per E-Mail an die sogenannten Studienbotschafter.
„Kein Test ersetzt die Studienberatung“, stellt Benedikt Hell klar. Er ist Professor für Personalpsychologie und Studieneignungsdiagnostik, inzwischen an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, und hat den baden-württembergischen Studienorientierungstest mitentwickelt. „Der Test soll dazu anregen, auch etwas weniger bekannte Studiengänge kennenzulernen.“ Die Hochschulen sind selbst dafür verantwortlich, die Profile der Studiengänge auf der Test-Seite einzustellen und aktuell zu halten. „Schüler, die kurz vor dem Abitur stehen, sind oft unsicher, was die Studienwahl angeht“, sagt Psychologe Hell, „sie müssen unglaublich viele Informationen verarbeiten. Wir wollen ihnen mit dem Test ein Tool bieten, um eine erste Übersicht zu bekommen.“
Weniger Test als Orientierungshilfe will auch der Studifinder (www.studifinder.de) der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sein. Schon von der Optik her wirkt der Test sehr zeitgemäß mit seiner frischen orange-hellgrünen Farbgebung und dem Kachel-Aufbau. Mehrere Orientierungstests stehen zur Auswahl, Dauer fünf bis 80 Minuten. Dazu kommen noch 30 Wissenstests. Lukas, der Test-Tester, nimmt sich gleich den längsten von ihnen vor: „Wie ich denke und arbeite“. Der fängt harmlos an mit der Frage dazu, wie neugierig man ist, wie gut man erklären kann und welche Fächer man in der Schule mit welchen Noten belegt hat. Dann kommt ein komplexer Sachtext, zu dem Fragen beantwortet werden müssen, Mathe-Aufgaben, Aufgaben zum räumlichen Vorstellungsvermögen und zwischendurch, zur Auflockerung, immer wieder Neigungsfragen.
Eine sofortige Lösung sollte man nicht erwarten. Das richtige Studium zu finden, ist ein Prozess
Wie viel Zeit sich der Tester dafür nimmt, um den Fragebogen fertig auszufüllen, bleibt ihm überlassen. Und auch, ob man einen Wissenstest wiederholen möchte. „Wir wollen, dass sich die Schüler nicht nur einmal kurz mit dem Thema beschäftigen, sondern über einen längeren Zeitraum“, sagt Heinrich Wottawa. Der Psychologie-Professor hat sich seit mehreren Jahrzehnten auf psychologische Eignungsdiagnostik im Internet spezialisiert und den Studifinder entwickelt. Je früher und je intensiver man sich mit dem Thema Studienwahl beschäftigt, umso besser, meint der Professor. „Die wenigsten Tests berücksichtigen die Fähigkeiten, die ein Schüler mitbringt, sondern meist nur die Interessen“, sagt Wottawa. „Beides muss zusammenspielen.“
erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 13. April 2016