Termin beim Coach für vegane Küche

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Lecker vegan – gefällt meist auch dem Ernährungsberater. Foto: ©vicuschka/Photocase.com

Die Paläo-Diät, angelehnt an die Essgewohnheiten der Steinzeit-Menschen. Vegane Ernährung. Oder Flexitarismus – mal Fleisch, mal keins: Nur drei von vielen Ernährungstrends. Und ständig gibt es neue. Denn was und wie wir essen, bleibt ein Riesenthema. Für die einen aus Gesundheitsgründen, für die anderen gehört eine bestimmte Ernährung einfach dazu zum Lebensstil. „Ich habe mich schon immer für Ernährung interessiert – und das dann zum Beruf gemacht“, sagt Sabine Schartner. Sie betreibt in Rosenheim eine eigene Praxis und verknüpft als ehemalige Leistungssportlerin die Bereiche Ernährungsberatung und Sport. „In meiner Familie wurde viel gekocht, meine Mutter war so etwas wie eine Pionierin in Sachen Vollwertkost. Das hat abgefärbt“, sagt sie.
Schartner hat an der Hochschule Fulda Ökotrophologie studiert und sich danach mit einem Zusatz-Kurs bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zur Ernährungsberaterin qualifiziert. Jetzt macht sie Sport mit adipösen Kindergruppen, berät Allergiker zu Ernährungsfragen oder therapiert junge Leute – vor allem Mädchen und Frauen – die unter Magersucht, Bulimie oder Binge Eating Disorder leiden – bei diesem Krankheitsbild essen die Patienten riesige Mengen Nahrungsmittel, ohne ihre Essanfälle kontrollieren zu können. Was Schartner an ihrem Beruf besonders gefällt: Die Vielseitigkeit. „Die Bereiche wechseln ständig“, sagt sie, „noch vor ein paar Jahren waren Nahrungsunverträglichkeiten ein großes Thema, jetzt sind es eher Ess-Störungen.“
Meistens übernehmen die Krankenkassen ihrer Patienten zumindest einen Teil des Kurs- oder Beratungshonorars, gerade bei den Kindern und Jugendlichen. Wenn Sabine Schartner Sportler berät, dann zahlen diese allerdings privat. Nicht alle Ernährungsberater haben so eine umfangreiche Ausbildung plus vorheriges Studium hinter sich wie Schartner.
„Ernährungsberater kann sich jeder nennen, das ist leider kein geschützter Begriff“, sagt Ute Brehme von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Brehme, selbst promovierte Ökotrophologin, sieht Anbieter von Fortbildungskursen, die ihre Kunden innerhalb kürzester Zeit zum Ernährungsberater machen wollen, kritisch: “Der schnellste Kurs dauert nur vier Tage und kostet 399 Euro. Bei anderen zieht sich die Fortbildung über drei, sechs, neun oder 14 Monaten“, sagt sie, „Diese Zertifikate kann man nicht miteinander vergleichen.“ Eben weil die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, könne der Verbraucher nicht erkennen, wie gut oder mangelhaft ausgebildet ein Ernährungsberater wirklich ist. Deshalb führt der Weg zum Ernährungsberater für die DGE über ein Ökotrophologie- oder Ernährungswissenschaftsstudium oder eine Ausbildung zum Diätassistenten. Außerdem braucht es noch eine anerkannte Zusatzqualifikation. Nur dann übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen einen Teil der Kosten. Diese Ernährungsberater können dann in Arztpraxen oder Kliniken arbeiten. Oder natürlich freiberuflich – so wie Sabine Schartner aus Rosenheim.
Einige Fortbildungsinstitute bereiten ihre Teilnehmer bewusst für den zweiten Markt, also die nicht Krankenkassen bezuschusste Gesundheitsprävention, vor. Günter Sauer hat sich für so einen Kurs entschieden. Nach seinem BWL-Studium war Sauer jahrelang für Siemens in der Personal- und Organisationsentwicklung tätig, bis er merkte, dass er lieber selbstständig arbeiten wollte. Selbst schon seit Jahrzehnten begeisterter Läufer, machte er eine Ausbildung als Lauftherapeut und danach noch eine 14-monatige Fortbildung zum Ernährungscoach. 2702 Euro zahlte er für die Weiterbildung beim IST-Studieninstitut. Jetzt berät er in seiner Nürnberger Praxis Abnehmwillige – übrigens meist Frauen – oder auch Hobbysportler, die beispielsweise wissen wollen, wie sie sich ernähren und trainieren müssen, um einen Halbmarathon unter anderthalb Stunden zu schaffen. Außerdem leitet er im Auftrag eines Bildungsträgers Lauf- und Ernährungstrainings für alleinerziehende Mütter oder konzipiert Gesundheitsprogramme für Firmen. Auf einen Zuschuss ihrer Krankenkasse können seine Kunden nicht hoffen. Aber Sauer ist dennoch gut beschäftigt, die Aufträge kommen rein. Er hat Glück gehabt – und möglicherweise liegt sein Erfolg an der Kombination von Bewegung und Ernährungsberatung.
„Wir machen den Teilnehmern schon vorher klar, dass sie nur präventiv, nicht kurativ behandeln können“, sagt Simon Kellerhoff vom IST-Studieninstitut. Größtenteils Frauen interessieren sich für Ernährungsberatungs-Fortbildungen. „Das sind Physiotherapeutinnen, Fitnesstrainerinnen oder auch Hausfrauen, die nach der Kinderpause aus ihrem alten Job aussteigen wollen und sich schon immer mit Ernährung auseinander gesetzt haben“, sagt Kellerhoff, „Viele wollen das Hobby zu Beruf machen.“
Oder einfach etwas für sich tun. Wissen in einem Bereich vertiefen, der sie schon immer gelockt hat. So wie Sergeij Makhno. Der 29-Jährige kocht als stellvertretender Küchendirektor bei einem großen Catering-Anbieter in Dortmund und hat – zunächst ohne es seinem Arbeitgeber zu sagen – ebenfalls eine 14 Monate dauernde Fortbildung als Ernährungscoach gemacht. Hat sich durch zehn Studienhefte geackert, seine Wochenenddienste so gelegt, dass er zu den Präsenztagen vor Ort sein konnte, asiatische Kochkurse besucht, Grundwissen über Lebensmittelrecht, Nährstoffe und Energiebillanzen gepaukt. Als sein Arbeitgeber davon erfuhr, bekam Makhno ein dickes Lob. Aber weder an seinem Verdienst noch an seinen Arbeitsbedingungen hat sich durch die Fortbildung etwas geändert. Doch das war auch nicht sein Ziel. Makhno: „Ich habe das für mich gemacht, um mehr über Ernährung erfahren und mein Wissen vernünftig weitergeben zu können.“ Seine Kochkurse, die er immer wieder anbietet, sind gut ausgebucht. Doch ob das daran liegt, dass er dort sein ernährungsberaterisches Fachwissen einfließen lässt oder ob er in den Kursen einfach Freude am Kochen vermittelt, lässt sich nicht sagen.

Erscheinen in: Süddeutsche Zeitung, 1. Dezember 2016