
Mehr Freiheit für Selbstzahler – das erhoffen sich Manager davon, dass sie ihren EMBA eigener Tasche finanzieren. Foto: ©david_W/photocase.com
So hatte sich Peter Schwarz das Gespräch mit dem Vorstand nicht vorgestellt. Der Mediziner ist Professor an der Technischen Universität Dresden. 2013 hatte er sich dazu entschlossen, sich für einen Executive MBA anzumelden. Eben darüber wollte er seine Vorgesetzten informieren. Deren Reaktion enttäuschte ihn: „Ich dachte, die finden das toll: einen Arzt, der sich für die wirtschaftliche Seite des Unternehmens interessiert.“
Doch seine Gesprächspartner reagierten zunächst skeptisch. „Wir haben doch genügend Leute, die die Business-Welt verstehen – meinen Sie, Sie brauchen das wirklich? Solche Fragen haben den Vorstand umgetrieben“, erinnert sich der heute 45-Jährige. Die größte Sorge der Vorstandsvertreter war: Heißt das, dass Sie gehen?„Das war keine Sekunde lang mein Gedanke gewesen, als ich mich für die Weiterbildung angemeldet habe“, sagt Mediziner Schwarz.
Wissenschaftlich hatte der Diabetologe schon eine Menge erreicht: Professur mit 37 als einer der jüngsten Professoren Deutschlands, Schlüsselpositionen in internationalen Forschungsausschüssen. „Doch in Bezug auf die wirtschaftliche Seite habe ich immer schon eine Lücke gefühlt, die sollte die Zusatzqualifikation EMBA füllen“, sagt Schwarz, „Ich wollte die Sprache der Business-Welt sprechen und verstehen können.“ 45000 Euro kostete der EMBA an der HHL Leipzig Graduate School of Management, für den sich Schwarz entschieden hatte. 8000 Euro davon übernahm Schwarz’ Arbeitgeber – unter der mündlich vereinbarten Prämisse, dass er sich die nächsten drei Jahre an seinen Arbeitgeber bindet.
Kein Einzelfall. Die Bereitschaft der Unternehmen, die Kosten für die Zusatzqualifikation ganz oder teilweile zu zahlen – je nach Business-Schule zwischen 30.000 und 60.000 Euro – nimmt ab. „Wir beobachten, dass Unternehmen inzwischen seltener finanzielle Unterstützungen anbieten“, sagt auch Petra Spanka, die an der HHL für die EMBA-Progamme zuständig ist.
Anderes Beispiel: Gab es an der Mannheim Business School noch vor zehn Jahren je ein Drittel Selbstzahler, ein Drittel Firmenfinanzierungen und ein Drittel Mischlösungen, bei denen sich Teilnehmer und Arbeitgeber teilten, so habe es inzwischen eine Bewegung von den Mischlösungen zu den reinen Selbstzahlern gegeben, sagt Sprecher Ralf Bürkle. Konkret sehe die Verteilung heute so aus: 35 Prozent Firmenentsendungen, 40 Prozent reine Selbstzahler und 25 Prozent der studierenden Manager teilen sich die Kosten mit ihrer Firma.
„Kein deutsches Phänomen“, stellt Michael Desiderio, Direktor des Executive MBA Council mit Sitz in Orange, Kalifornien, klar, „2015 haben sich international gesehen etwa 41 Prozent der EMBA-Teilnehmer selbst finanziert. Das ist keine dramatische Veränderung, aber die Zahl ist gestiegen.“ Das deckt sich mit den Erfahrungen von Nick Barniville, Programmdirektor an der ESMT Business School Berlin: „Firmen werden zurückhaltender, was die Vollfinanzierung angeht; sie finden es oft schwierig, EMBA-Studiengebühren völlig abzudecken, weil ihr Budget oft auf eine breitere Mitarbeitergruppe verteilt werden muss.“ Außerdem – wer weiß, wie lange ein Mitarbeiter sich an das Unternehmen binden möchte – und ob die Zusatzqualifikation nicht die Türe zu einem anderen Unternehmen mit einem noch besser dotierten Jobangebot öffnet.
Mit entsprechenden Bindungsklauseln – böse formuliert könnte man Knebelverträge dazu sagen – wollen sich Unternehmen davor schützen, dass ihr frisch qualifizierter Manager, in den so viel Geld investiert wurde, sein mit Firmengeldern erworbenes Wissen und Können anderswo anwendet.
Ralf Bürkle von der Mannheim Business School sieht noch einen anderen Grund dafür, dass die Anzahl der Selbstzahler zunimmt: „Gerade Manager haben erkannt, dass die Investition in die eigene Bildung sinnvoll ist.“ In angelsächsisch geprägten Ländern sei das Bewusstsein dafür schon immer höher gewesen. Ralf Bürkle: „Wenn beispielsweise ein indischer Manager die Wahl zwischen einem EMBA-Programm und dem Kauf eines Sportwagens hat, wird er sich ziemlich wahrscheinlich für den EMBA entscheiden, weil Bildung in dieser Kultur einen sehr hohen Wert hat. In anderen Regionen der Welt wäre ich mir da nicht so sicher.“
Häufig trifft nicht die Personalentwicklungsabteilung die Entscheidung, ob ein Mitarbeiter an einer Fortbildung teilnimmt, sondern der eigene Bereich, sprich die Leitung der jeweiligen Abteilung. Das geht aus einer Studie der Mannheim Business School hervor. Sowohl die Entscheidung, ob und welche externe Weiterbildung in Frage kommt als auch die Finanzierung fällt in etwa 40 Prozent die Abteilungsleitung, nicht die Personalentwicklung.
Für Martin Adlung, damals bei einem schweizer Telekommunikations-Unternehmen im Managementbereicht angestellt, war schnell klar, dass er seinen EMBA an der Henley Business School in England selbst bezahlen würde – trotz des Angebotes des Unternehmens, die Kosten zu übernehmen. „Ich hätte mich dazu verpflichten müssen, fünf Jahre in der Firma zu bleiben. Oder das Geld zurückzugeben“, sagt Adlung. In dem Moment wusste er: „Das ist mein Ding, meine Erfahrung, ich will niemanden darüber Rechenschaft geben müssen, ich zahle das selbst.“ Alles in allem habe ihn der EMBA umgerechnet etwa 60 000 Euro gekostet, dazu viel Zeit, etwa zwölf bis 15 Stunden zusätzlich zum normalen Arbeitspensum – „und zwei, drei Jahre Verzicht auf ein neues Auto“, sagt Adlung. Doch die Investition hat sich für ihn gelohnt: Während seiner EMBA-Ausbildung sei ihm klar geworden, dass ihm die Arbeit als Freiberufler mehr liegt als ein Leben als Angestellter. Inzwischen hat er sich als freier Unternehmensberater wieder selbständig gemacht.
„Wer sich beruflich verbessern möchte, sollte dazu auch bereit sein, in sich selber zu investieren, meint auch der Berliner MBA-Programmdirektor Nick Barniville: „Ich finde es fair, einen EMBA mindestens zum Teil selbst zu finanzieren.“
Erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 15. September 2016