
Aus Morgenroethe-Rautenkranz stammt der Kosmonaut
Sigmund Jähn. An ihn erinnert die Raumfahrtausstellung. Foto: ©Martin Kirchner
Von wegen Mittelgebirge: Zumindest der Aschberg hoch über Klingenthal im Vogtland geht problemlos als voralpin durch. Von Klingenthal aus kurbeln wir uns eine schmale, absolut alpenmäßige Serpentinenstraße zackig bergan. Oben dann echtes Alpenfeeling: Unter den dunkelgebeizten Holzhäuschen, die sich an den Hang ducken, fällt der Berg richtig steil ab. Außerdem bilden wir uns ein, dass das Thermometer ein paar Grad weniger anzeigt als im Flachland. Jedenfalls blühen noch die Apfelbäume – in der Stadt haben die schon vor zwei Woche von Frühlingsblütenweiß auf Sommergrün umgestellt. Weitere alpine Hinweise: Die klare Luft, der weite Blick bis rüber zur Vogtland-Arena, in der im November mit der Eröffnung der Weltcup-Saison der Skispringer der ganz große Skizirkus gastierte.

Supersteil: Straße hoch auf den Aschberg im Vogtland. Foto: ©Martin Kirchner
Dass die Gegend so gut wie schneesicher ist, bezweifeln wir keinen Augenblick. Nebenan im tschechischen Bublava ist man stolz auf eine 1000 Meter lange Skipiste. Winter für Winter rauschen da und auf anderen Pisten die Ski- oder Snowboardfreunde runter.
An der Aschberger Jugendherberge zeigt der Höhenmesser stolze 926 Meter an.
Im Wald führt die Kammloipe vorbei, übrigens auch Mountainbike-tauglich und im Herbst besonders farbenprächtig, wie uns der Wirt des Gasthofs Schöne Aussicht versichert. „Das ist wie in Kanada, Indian Summer“, schwärmt er.
Kanada, Alpen, skifahren, mountainbiken – alles auch sehr schön, aber wir testen das Vogtland auf Rennradtauglichkeit. Und können schon nach kürzester Zeit sagen: Taugt.
Ein anspruchsvolles, bergiges, nie langweiliges Revier. Kurz nach Klingenthal sammeln wir weiter ordentlich Höhenmeter bis Schöneck, das streng genommen nicht mehr im Vogtland, sondern schon im Erzgebirge liegt. Der hübsche Ort macht sich auf einem Hochplateau lang, fast 800 Meter hoch gelegen. Am Naturfelsen Alter Söll müssen wir kurz stoppen und ins Land schaue. Der Panorama-Blick lohnt und reicht übers Obere Vogtland ins Elstergebirge und ins Elstertal. An klaren Tagen kann man auch das Fichtelgebirge sehen – und angeblich sogar das Völkerschlachtdenkmal im 100 Kilometer entfernten Leipzig. Doch letzteres scheint doch etwas übertrieben.
Nach stetigem Auf und Ab durch die Wälder erreichen wir die Talsperre Pöhl. Hier wurde Ende der 50er Jahre ein ganzes Dorf geflutet, und natürlich erzählt man wie an jedem Stausee auch hier die Legende von den Glocken des versunkenen Kirchturms, die man immer noch hören kann, wenn man nur still genug über den See paddelt. Wir passieren die mächtige Staumauer; Segelboote ziehen vorüber, im Seebad tummeln sich Badegäste.

Größte Ziegelbruecke Europas: die Göltzschtalbrücke. Foto: ©Martin Kirchner
Über Mylau und Netzschkau kommen wir zur Göltzschtalbrücke. Sie protzt mit Superlativen: größte Ziegelsteinbrücke der Welt – 26 Millionen Ziegel wurden hier verbaut. Und als sie im Jahr 1851 eröffnet wurde, galt sie als weltweit größte Eisenbahnbrücke. Mächtig spannt sie sich noch heute übers Tal. Ihre Erbauer hatten übrigens kurz drüber nachgedacht, sie als Gefängnis zu nutzen, waren aber dann wieder davon abgekommen. Wir wundern uns kurz darüber, wie wenig Touristen es hierher zieht, die beiden Biergärten wirken trotz superidyllischer Lage eher wie staatlich verordnet – dann rollen wir weiter durchs lauschige Göltzschtal vorbei ein diversen Mühlen. Jetzt heißt es kurz Kraft sammeln für den Endspurt hoch nach Klingenthal.
Bei unserer Runde am nächsten Tag wollen wir es noch etwas bergiger haben – und reisen aber zunächst gedanklich ins All: In Morgenröthe-Rautenkranz, einem 800-Seelen-Dorf, das zur Gemeinde Muldenhammer gehört, wirbt eine Raumfahrtausstellung um Besucher. Vor der Ausstellung zeigt das MIG-Jagdflugzeug des Ex-Kosmonauten Sigmund Jähn schneidig mit der Nase gen Himmel. Zu Ehren Jähns, der hier im Ort geboren ist, hat die Gemeinde das Museum gebaut. Das Angebot des Space-Cafés nebenan testen wir ein anderes Mal und machen uns lieber auf in die Berge; über Carlsfeld und Wildenthal zum Auersberg: schön schattig durch den Wald, einen kurzen schnurgeraden Stich hoch, dann sind wir oben auf den Auersberg – auf exakt 1000 Meter höhe. Vor uns holpert ein Paar mit Mountainbike-Tandem den Wanderweg runter nach Blauenthal.
Im Weiterfahren denken wir nochmal drüber nach, wie es denn nun wirklich ist mit dem alpinen Charakter des Vogtlands. Denn am Auersberg fehlt eindeutig die alpenhafte Schroffheit. Zwischendurch auf der Strecke kamen wir allerdings an viele kleine Wintersportgebieten vorbei, was man wiederum als Argument in die pro-alpin-Waagschale werfen könnten. Wie auch immer: Zum Rennradfahren ist es hier super.
Erschienen in: TOUR 5/2016