
Grün geht immer. Foto: ©Duze/photocase.de
Alle wollen nachhaltig sein. Vom Discounter, der mittels Tracking-Code seinen Käufern ermöglicht, die Herkunft des Frühstückseis zu verfolgen bis hin zum Outdoorspezialisten. Letzterer liefert beim Wanderschuhkauf je nach Hersteller einen Nachweis darüber, von welcher Kuh das Leder stammt. Zahlreiche Unternehmen gehen noch weiter: nicht nur, dass sie ihre Lieferketten, die Energiespar- oder Abfallvermeidungskonzepte transparent machen. Sie berichten auch darüber, was sie ihren Mitarbeitern an Fortbildungen angedeihen lassen oder dass sie für den Bewegungsraum im örtlichen Kindergarten eine Sprossenwand spendiert haben.
Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. „Von offensichtlichen Formen des Green Washings haben sich zum Glück viele Unternehmen verabschiedet“, sagt Florian Lüdeke-Freund. Durch das sogenannte Grünwaschen kamen einige Firmen in Verruf – mit einzelnen pr-mäßig aufgebauschten umweltfreundliche Aktionen versuchten sie davon abzulenken, dass ihr Kerngeschäft nach wie vor alles andere als der Umwelt zuträglich war. „Wir wollen die nächste Generation dazu ausbilden, es besser zu machen“, sagt Lüdeke-Freund. Er gehört seit November 2017 zum Professorenteam für Sustainability und Entrepreneurship an der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin. Im Wintersemester 2018 beginnt dort der neue Masterstudiengang Entrepreneurship & Sustainable Innovation. „Wir brauchen einen neuen Unternehmertypus, der näher bei Menschen, Natur und Gesellschaft ist“, wünscht sich Lüdeke-Freund. Im Blick auf seine zukünftigen Studenten meint er: „Die ticken anders.“ Das bestätigt auch Stefan Schaltegger, Professor und Leiter des Center of Sustainability Management an der Leuphana Universität in Lüneburg. Die Leuphana war mit dem 2003 gegründeten MBA Sustainability Management weltweit die erste Hochschule, die Nachhaltigkeitsmanagement als Weiterbildungsstudiengang anbot. „Aus unserer Absolventenbefragung wissen wir, dass unsere MBA-Studierenden ein anderes Karriereverständnis haben. Wie stark das Gehalt nach dem MBA steigt, interessiert sie weniger als der Inhalt“, sagt Professor Schaltegger, „Ihr Zugang ist eher: ich möchte etwas Sinnstiftendes tun.
So ging es Tobias Peylo, der nach seinem BWL-Studium mit Schwerpunkt Finanzwesen schon einige Jahre als Management-Berater im Finanzbereich gutes Geld verdiente. „Ich hatte beste Aufstiegschancen, und doch fehlt etwas“, sagt Peylo, „in der Wirtschaft sieht man viele Dinge, die einen ins Nachdenken bringen. Meine Motivation, etwas zu ändern, war eher intrensisch.“ Es darf nicht nur ums Geld gehen, es kann nicht sein, dass wir auf Kosten anderer unseren Wohlstand genießen, waren die Gedanken, die immer wiederkehrten. Sein Wunsch nach ethisch vertretbarem, im besten Sinne nachhaltigen Handeln wurde immer größer – „Vielleicht, weil ich aus einem Pfarrhaushalt komme“, meint Peylo. Er entschied sich für einen berufsbegleitenden MBA in Sustainabilty Management an der Leuphana Universität Lüneburg – und setzte gleich noch eine Promotion darauf. Auch wenn es viel Zeit und Kraft gekostet hat, der Mehrwert war für ihn groß: „Es schreckt ja viele Studierende ab, dass das Spektrum, das Nachhaltigkeit umfasst, so riesig ist. Das Studium vermittelt, wie die Räder ineinander greifen“, sagt Peylo.
Heute arbeitet er im Sparkassenverband Baden-Württemberg in Stuttgart im Ressort Grundsatzfragen, widmet sich der strategischen Planung, der Verankerung und Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit – und lehrt inzwischen selbst an der Leuphana Universität Lüneburg. Für ihn besonders prägend war der Aspekt des Change Managements. „Ein Prozess, bei dem es darum geht, Menschen zu überzeugen und Widerstände zu überwinden“, macht Peylo deutlich, „Viele denken bei Nachhaltigkeitsthemen immer noch an Öko-Kram“, sagt Tobias Peylo, „diese Leute bekommt man nur, wenn man gut argumentieren kann und weiß, wie man verhandelt.“
Sandra Broschat tut das Tag für Tag – überzeugen, verhandeln. Sie ist Senior Manager Nachhaltigkeit bei Coca-Cola in Berlin und studiert momentan ebenfalls berufsbegleitend an der Leuphana Universität Sustainability Management. „Mit Nachhaltigkeitsthemen wird man nicht unbedingt Everybodys’ Darling“, sagt Sandra Broschat. Veränderung macht Arbeit, keine Frage und wer Nachhaltigkeit ernsthaft umsetzen möchte, muss damit rechnen, dass es erstmal unbequem wird. „Man muss die wirtschaftlichen Prozesse kennen und verstehen, um die Stakeholder überzeugen zu können – aber auch in der Lage sein, die Menschen in den Abteilungen mitzunehmen und letztendlich zu begeistern“, sagt Sandra Broschat, „dabei hilft mir das Studium.“
„Nachhaltigkeit, auch im Managementbereich, ist schon lange kein Nice-to-have mehr“, sagt Joachim Fendt-Newlin, Professor an der schweizer Sustainability Management School (SUMAS). Er plädiert dafür, dass ein Nachhaltigkeits-Plan für jede Firma und Organisation verpflichtend sein sollte – „Am besten Teil des Business-Developments.“
„Es birgt erhebliche unternehmerische Risiken, wenn man gesellschaftlich bedeutende Nachhaltigkeitsthemen vernachlässigt“, betont auch Professor Schaltegger von der Leuphana und verdeutlicht am Beispiel Dieselgate: auch wenn Volkswagen die Straf- und Kompensationszahlungen von geschätzt 32 Milliarden gut verdaut und den Absatz an Autos erhöht habe – vermeidbar wären dies doch gewesen. Schaltegger: „Nachhaltigkeit kann man intelligent umsetzen und die Wettbewerbsfähigkeit dadurch steigern.“
Und es sind nicht nur die großen Firmen, die sensibler in Bezug auf Nachhaltigkeit werden. Die Hochschule Ludwigshafen bietet am Weincampus einen MBA in Wine, Sustainability & Sales an. „Gerade bei kleinen oder mittelständischen Unternehmen sehe ich eine hohe Kompetenz, was Produkte und Service angeht“, hat Programmleiter Marc Dreßler beobachte. Weniger Kompetenz gibt es in Sachen Management und Nachhaltigkeit. Und warum gerade Wein, Herr Dreßler? „Am Beispiel Wein lässt sich vieles übertragen, was das Thema Nachhaltigkeit angeht.“ Mit dem MBA-Angebot richte man sich aber nicht nur an die Weinwelt. „Wir sprechen Leute an, die im Job zufrieden sind, aber die nächste Herausforderung suchen.“ Ein akademischer Abschluss ist übrigens nicht Voraussetzung, langjährige Management oder Sales-Erfahrung ersetzt ihn. Dreßler: „Ich sehe eine Menge Neugier und Hunger bei unseren Teilnehmern.“
Etwa bei Ingo Viertler. Er ist 50 Jahre alt und führt seit er 17 ist ein Küchenstudio- und Küchenzubehörunternehmen mit derzeit 25 Mitarbeitern in Rüdesheim. „Nach dem plötzlichen Tod meines Vaters musste ich den Betrieb übernehmen. Studieren konnte ich nie“, sagt Ingo Viertler. Das holt er jetzt nach. „Ich zahle mir sicher kein höheres Gehalt aus, wenn ich mit dem MBA fertig bin und es wird mich auch nicht in die Weinwelt ziehen“, sagt Viertler und schiebt nach: „Ich mach das, weil ich’s möchte – und weil mir Nachhaltigkeit wichtig ist.“
Erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 20. April 2018
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