Fichtel-Fan werden

Upper Franconia steht auf Mateus Pielas T-Shirts. Auf der minimalistischen Bergzeichnung über dem Schriftzug ragt spitz und nadeldünn der ehemalige Bundeswehrmeldeturm auf dem Schneeberg heraus, das heimliche Wahrzeichen des Fichtelgebirges und ein Mahnmal des Kalten Krieges. „Oberfranke und stolz drauf “, sagt Piela und lacht. Macht nichts, dass nicht alle Menschen außerhalb von Upper Frankonia etwas mit Orten wie Bischofsgrün oder Neustadt an der Kulm verbinden. Rennradfahren lässt es sich hier im Fichtelgebirge ganz hervorragend, meint Piela. Sonntags oder wann immer er noch Zeit hat, dreht er eine Runde hoch zum Ochsenkopf, über den Schneebergpass, auf den Rauhen Kulm oder entlang der Warmen Steinach, wo es jetzt sogar einen frischasphaltierten Radweg gibt.
Viele seiner Kumpels jagen lieber auf ihren Mountainbikes durch die Fichtelgebirgswälder, doch Betriebswirt Piela schwingt sich aufs Rennrad. Seine Lieblingsrunde wird gleich am Folgetag getestet. Los geht’s in Bischofsgrün, erstmal locker bergab zur Seilbahnstation, denn gleich naht der ersten Anstieg zum Ochsenkopfpass. Die Kräfte sind frisch, es macht Spass, sich rasch zum Pass hochzukurbeln, zumal es gleich wieder runter geht nach Weißenstadt. Da wartet schon der nächste Pass, der Große Waldstein, fordernd, aber gut machbar. Nicht weit weg davon entspringt übrigens die sächsische Saale. Weil es inzwischen doch recht warm geworden ist, blitzt kurz ein Neidgedanke auf, als der Blick auf das Wasser der Förmitztalsperre fällt. Geruhsam vor sich hin dümpelnde Boote, entspannt badende Menschen – hier eine kleine Rast einzubauen, wäre schon verlockend. Aber schon ist die nächste Abfahrt da, und der Fahrtwind kühlt fast so gut wie ein Sprung in den See. Pielas Tourentipp führt weiter durch Rehau, streift kurz die Grenze nach Tschechien, macht einen Abstecher nach Selb, wo man sich in der Eisdiele am Porzellanbrunnen ein Eis oder Kuchen gönnen kann. Piela schickt uns weiter nach Süden durch den Selber Forst und runter zur tiefsten Stelle der Tour bei Neuhaus an der Eger. Nach ruhigen, wenig befahrenen Wald- und Wiesenwege lockt nochmal ein See – der Weißenstädter diesmal. Doch der Schwung reicht auch noch bis zum letzten Anstieg, zu einem alten Bekannten, dem Schneebergpass – diesmal von der anderen Seite. Kaum kommt der Gedanke auf, dass sich das doch ganz schon zieht, ist man oben und kann es bis runter nach Bischofsgrün rollen lassen.

An der Förmitztalsperre. Foto: Martin Kirchner

An der Förmitztalsperre. Foto: Martin Kirchner

Bei unserer zweiten Tour machen wir im Café „6° cooler“ in Schwarzenbach Stopp. Dort treffen wir die junge Chefin, Lisa Breckner. Die zierliche Sportlerin war lange Jahre Markenbotschafterin für den Radhersteller CUBE und damals meist öfter mit dem Mountainbike unterwegs als mit dem Rennrad. Seit sie sich aus der Profi-Sportwelt zurückgezogen hat, um die Textildruckerei ihrer Mutter zu übernehmen – und gleich noch ein eigenes Café mit regionalen Produkten zu eröffnen, steigt sie immer öfters aufs Rennrad. „Das Terrain hier ist dafür ideal“, meint sie. „Bei uns im Fichtelgebirge gibt es nicht so viele Extreme, alles ist eher sanft und gemäßigt.“ Und trotzdem kann man ordentlich Höhenmeter machen, fast wie nebenbei. „Ich finde, das ist hier auch sonst eine recht entspannte, coole Gegend – in jeder Hinsicht“, meint Lisa. Deshalb hat sie ihrem Café auch den sprechenden Namen „6° cooler“ gegeben: „Wenn das Thermometer anderswo gegen 30 Grad klettert, haben wir es hier immer etwas kühler“, sagt Lisa, „ein bisschen cooler sind auch die Leute hier. Gelassener. Nicht so aufgeregt. Aber dennoch herzlich.“ Können wir bestätigen – nicht erst seit der Begegnung mit Lisa Breckner. Spätestens, als Mateus Pielas zweiter Touren-Tip abgefahren ist – mit dem Rauhen Kulm, einem 21 Millionen Jahre alten imposanten Basaltberg, übrigens ein nie ausgebrochener Vulkan, als Zwischenziel – muss man ihm und auch Lisa Recht geben. Vielleicht sollte man sich auch so ein Upper Franconia-Shirt zulegen, als heimlicher neuer Fan des Fichtelgebirges.
Erschienen in: TOUR-Magazin 10/2021