Mit dem E-Tutor im Webinar

Die vollkommene Flexibilität. Lernen, wann und wo man möchte. Zum Beispiel, so wie so wie die ehemalige Profisportlerin Kathrin Lehmann, auf langen Busfahrten. Als sie in der Frauenfußballmannschaft für den schwedischen Hammarby IF spielte, büffelte sie auf den Fahrten im Mannschaftsbus Prüfungsstoff: „Kilometer eins bis 300 neuer Stoff, Kilometer 300 bis 500 bereits gelernte Inhalt repetieren“, sagt sie. Die ehemalige Spitzensportlerin hatte sich ganz bewusst für ein Fernstudium entschieden – mit ihren Spielzeiten als Profi-Fußballerin hätte sich ein klassisches Hochschulstudium nicht vereinbaren lassen. Also schrieb sie sich im Studienfach BWL an der privaten AKAD University ein.  „Für mich ist es ideal, immer alle Lernmaterialien auf meinem Tablet verfügbar zu haben. So muss ich nicht schon vorher entscheiden, ob ich Finanzmanagement oder Unternehmensführung lernen möchte“, sagt Kathrin Lehmann.

E-tutor
So gut wie alle Fernhochschulen bieten ihre Kurse online an. Natürlich gibt es pro Semester immer noch ein paar wenige Präsenzveranstaltungen. Die Klausuren jedoch dürfen selbst Fernstudierende nicht ohne Beaufsichtigung schreiben. Doch auch da ist man örtlich flexibel: Wer nicht zu einem der Hochschul-Standorte reisen kann – etwa, weil er gerade im Ausland lebt – kann an Goethe-Instituten oder in Botschaften die Prüfung ablegen. „Wenn wir in Stockholm abends ein Heimspiel hatten, saß ich vorher von drei bis vier Uhr in der Schweizer Botschaft und habe da meine Prüfung absolviert“, sagt Ex-Fußballprofi Kathrin Lehmann.

Fernstudium war früher eine recht einsame Sache. „Das hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend geändert“, meint Susanne Bossemeyer, Sprecherin der Fernuni Hagen, „Durch die Online-Angebote ist es leichter geworden, sich mit anderen Studierenden zu vernetzen.“  Bei der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin besuchen die Studierenden so genannte Webinare. Zu einer festen Zeit trifft sich die Seminargruppe und präsentiert und diskutiert Themen, die sie vorher in kleinen Gruppen bei mehrwöchigen Online-Einheiten auf Forumbasis erarbeitet haben. Während der Webinare sitzt jeder Teilnehmer zuhause vor seinem Rechner; wer will, schaltet die Kamera an. Gesprochen wird über Headsets, bei technischen Problemen hilft der E-Tutor. Auf den Bildschirmen tauchen dann die Bilder der Teilnehmer auf. Damit im virtuellen Seminarraum nicht das Kommunikations-Chaos ausbricht, blinkt neben dem, der gerade spricht, ein kleines Mikro auf.

„Auf dem Online-Campus bewegt man sich ähnlich wie in sozialen Netzwerken“, ist die Erfahrung von Fern-Studentin Julia Jans. Sie ist an der SRH FernHochschule Riedlingen eingeschrieben und schreibt derzeit ihre Bachelor-Arbeit in Lebensmittelmanagement und -technologie. Auf dem E-Campus – dem hochschulinternen Intranet – gibt es öffentliche und private Bereiche. In den öffentlichen Bereichen finden sich die Studien-Module, dazu der geschätzte Workload, die Lernzeit. Ob das Gepaukte wirklich sitzt, können die Studierenden in Tests überprüfen. Wer allgemeine Fragen hat, diskutiert die in Foren. In den privateren Bereichen kann man mit Mitstudenten chatten, Professoren oder Tutoren per Mail Fragen stellen. Und an der für alle Studierenden einsehbaren Pinnwand stehen Mitfahrgesuche, Übernachtungsmöglichkeiten – genau wie früher am Schwarzen Brett. „Die Bedienung ist ziemlich intuitiv“, sagt Fernstudentin Jans, „Mehr als einen Internetbrowser und eine einigermaßen aktuelle Version von Adobe Reader braucht man nicht.“

Viele Studierende wollen aber nach wie vor die guten alten gedruckten Studienbriefe. Alice Lorch, 30 Jahre alt, gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und bei einer Stiftung Projektmanagerin und für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, studiert an der AKAD University International Business Communication. Sie lernt am Liebsten mit gedruckten Skripten. „Ich habe immer eines meiner Hefte in der Tasche“, sagt sie.

„Bei unseren Studierenden erleben wir oft, dass sie beide Optionen wollen – gedruckt und als E-Book“, sagt Udo Thelen von der Deutschen Universität für Weiterbildung. Ideal ist die Kombination: mit den Studienbriefen und Textmarker lernen, dann online per Test das Wissen überprüfen.

Und die Zukunft? „Wir werden mehr hybride Lernformen anbieten – so ist für jeden Lerntyp etwas dabei“, sagt AKAD-Sprecher Jörg Schweigard, „Präsenzseminare halten wir dann verstärkt fakultativ oder in Blöcken ab. Und mit Lernvideos, E-Vorlesungen oder Prüfungscoachings stärken wir die virtuelle Präsenz.“

Erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 26. Juni 2014