Offen und freundlich schaut Gourav Ghosh in die Kamera. Seine Schwester hat ihn gefilmt, im Haus seiner Eltern in Dubai. In 4 Minuten 51 Sekunden erklärt der gebürtige Inder, warum gerade er als MBA Student an der Mannheim Business School zugelassen werden sollte. Im Regal hat er Pokale, Medaillen und Buchpreise aufgereiht, die er in seiner Schulzeit gewonnen hat: bei Wissen-Quizen, beim Tennis, in Leichtathletik und für außergewöhnliche schulische Leistungen. Eine Wanddeko rechts neben ihm zeigt die Hindu-Götter Vishnu und Krishna. Er sei ein guter Beobachter, sagt Gourav. Dann führt er aus, warum ausgerechnet Mannheim seine erste Wahl ist: Deutschland sei eine dynamische Wirtschaftsmacht, von der man viel lernen könne. Er habe die Deutschen schon immer bewundert – Albert Einstein zum Beispiel. „Es wäre für mich eine Ehre, in Mannheim studieren zu dürfen“, sagt Gourav. Sehr authentisch wirkt er – und weil auch sonst alles bei seiner Bewerbung gestimmt hat, wurde er genommen. Im September hat er seinen MBA abgeschlossen.
Gerade an deutschen Business-Schulen sind innovative Bewerbungsformate wie das von Gourav Ghosh nicht unbedingt die Regel, werden aber gerne gesehen. „Alles, wodurch wir mehr über den Menschen und seine Motivation für ein MBA-Studium bei uns erfahren, ist ein Plus“, sagt Ralf Bürkle, Sprecher der Mannheim Business School. Wer die erste Stufe der Bewerbung in Mannheim geschafft hat, wird zum Interview eingeladen. Wenn auch das gut lief, bekommen die Bewerber eine Case-Study, eine Fallstudie, die sie innerhalb von wenigen Tagen lösen und deren Ergebnis sie dann mündlich vortragen müssen. Power-Point-Vorträge akzeptiert die Schule nicht. „Hinter denen kann man sich hervorragend verstecken. Das wollen wir nicht“, stellt Sprecher Bürkle klar. Man prüfe außerdem, ob die Teilnehmer Empathie besitzen, gut kommunizieren können oder ob sie teamfähig sind. Ralf Bürkle: „Unsere Ausbildungsphilosophie basiert stark auf dem von- und miteinander Lernen. Es kam schon vor, dass wir Bewerber mit einem GMAT-Wert von 750 ablehnen mussten, weil wir gemerkt haben, dass sie nicht zu uns passen.“

Man muss sich ja nicht gleich zum Affen machen, wenn man Eindruck schinden möchte.
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Die Vorbereitung auf den GMAT (Graduate Management Admission Test) verschlingt bei den Bewerbungen die meiste Zeit. Der weltweit standardisierte Test dient dazu, die Eignung für postgraduale Master-Studiengänge an betriebswirtschaftlichen Fakultäten zu messen. Sprich: ohne GMAT kein MBA-Studium. Natürlich genügt es nicht, den GMAT irgendwie zu bestehen, sondern es gilt: je höher der Score – das Testergebnis – desto besser. 800 ist top. Einige der US-amerikanischen Top-Schulen geben als durchschnittlichen GMAT ihrer Studierenden einen Score von 700 und mehr an. An deutschen Schulen liegt die Hürde bei der Zulassung je nach Schule bei 400 bis 600.
„Mich hat die Vorbereitung auf den GMAT knapp vier Monate beschäftigt“, sagt Florian Schnappauf. Der 33 Jahre alte Münchner hat im vergangen Jahr seinen MBA an der IMD Business School in Lausanne gemacht. Parallel hatte er sich noch an der INSEAD Business School beworben, beide laut aktuellem Financial Times Ranking unter den 20 besten Business-Schulen weltweit. „Wenn ich schon so viel Zeit und Geld für eine akademische Ausbildung investiere, dann möchte ich an eine der Top-Schulen dieser Erde“, hatte sich der Wirtschaftswissenschaftler überlegt, der zum Zeitpunkt der Bewerbung bei der Airbus Defence & Space für strategische Planung mit verantwortlich war. Zu den Auswahl-Kriterien gehörten für ihn neben dem Renommee der Schule ihre fachliche Ausrichtung, die Größe der Klassen und die Dauer des Programms: Nicht länger als zwölf Monate.
Schnappauf ging bei seiner Bewerbung eher den klassischen Weg: kein Filmchen, sondern ein besonders gut durchdachte Essays. Schnappauf:„Ich habe mich in die Lage der Leute hineinversetzt, die jeden Tag Duzende von Bewerbungen bekommen. Man muss die Essays so schreiben, dass etwas hängen bleibt.“ Deshalb nahm er sich für diese Texte besonders viel Zeit, und fand einen locker-leichten Ton, der aber auch neugierig machte.
„Wir wollen am Ende des Schreibens einen Eindruck von der Person haben, die sich bei uns bewirbt“, sagt Petra Kreis-Hoyer, Prodekanin an der EBS Business School in Wiesbaden. Hier legt man besonders viel Wert auf das Motivationsschreiben. Kandidaten, die begeistert über Marathons schreiben, bei denen sie mitgelaufen sind oder darüber, wo und wie sie sich sozial engagieren und was das für ihr berufliches wie privates Leben bedeutet, sieht man in Wiesbaden besonders gerne. „Alles weitere klopfen wir in den Interviews ab“, sagt Petra Kreis-Hoyer.
Zu den Basis-Bewerbungsunterlagen gehören an den meisten Business-Schulen neben bestandenem GMAT und einem TOEFL-Text zum Nachweis der Englisch-Kenntnisse ein Lebenslauf, ein bis zwei Referenz-Schreiben von ehemaligen oder aktuellen Arbeitgebern oder Hochschullehrern, natürlich das Hochschul-Abschluss-Zeugnis und – an den meisten deutschen Business-Schulen – über mindestens drei Jahre Berufserfahrung.
Zahlreiche Business-Schulen wollen, dass die Kandidaten eine vorgegebenen Online-Fragebogen ausfüllen. So fällt der Vergleich leichter. Zu viel Kreativität in die Richtung selbstkomponierte Lieder oder Plakate als Bewerbungszusatz mag man nicht überall. „Wir sind ja keine Kunsthochschule“, sagt Heidrun Hoffmann, Programm-Direktorin an WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. Wichtiger sei es, dass sich der Bewerber intensiv mit der Schule beschäftigt hat und weiß, wo er sich bewirbt. „Wir merken, ob sich der Kandidat beim Ausfüllen des Fragebogens Gedanken gemacht und Zeit genommen hat oder ob das nur Copy and Paste aus dem Internet ist“, sagt Heidrun Hoffmann.
An der HHL Leipzig Graduate School of Management gehört möglicherweise bald auch ein kurzer Film zu den Bewerbungsunterlagen. Eine Berliner Firma testet derzeit mit der HHL eine Handy-APP, mit der Bewerber einen kurzen Film über sich drehen können – so ähnlich wie der von Gourav Ghosh. Mit dem Unterschied, dass das Video dank Einbindung in die APP nur von den Recruitern der HHL angeschaut werden kann. Raluca Modoiu, Managerin Student Recruitment MBA an der HHL: „Wir versprechen uns davon eine authentische, kreative Darstellung der Persönlichkeit des MBA-Kandidaten. Letztlich zeigt uns der kurze Film, ob der Bewerber zu uns passt.“
Gourav Ghoshs Bewerbungsfilm: http://bit.ly/1PZNt8i
Foto Teaser: ©LP12INC/photocase.com
Süddeutsche Zeitung, 20. Februar 2016